Wenn Mitarbeiter ihren Chef mobben
Sie verweigern die Arbeit, verbreiten Gerüchte über den Chef oder greifen ihn verbal an: Wenn Mitarbeiter Vorgesetzte mobben, spricht man von Staffing. Was Unternehmer dagegen tun können.
Eins vorweg:
In den meisten Fällen sind es Mitarbeiter, die unter Mobbing leiden – weil Kollegen oder ihre Vorgesetzten sie schikanieren. Aber auch Unternehmer und Führungskräfte können Opfer von Mobbing werden, wenn einzelne Mitarbeiter oder sogar das ganze Team sich gegen sie verbünden.
Doch viele Chefs reden nicht darüber. Das bestätigt auch Psychologe und Therapeut Klaus Mucha, der sich seit fast 30 Jahren mit Mobbing in Unternehmen beschäftigt: „Meiner Erfahrung nach geben Führungskräfte ungern zu, dass sie gemobbt werden. Das kratzt an ihrer Souveränität. Mit Mobbing wird häufig verbunden, dass es nur schwachen Leuten passiert – obwohl das nicht stimmt.“
Für Chefs besonders schwierig: Wenn Mitarbeiter sich gegen sie verbünden, untergraben sie seine Autorität und sorgen so womöglich dafür, dass andere den Respekt vor ihnen verlieren. Umso wichtiger, die Ursachen von Staffing zu erkennen und rechtzeitig dagegen vorzugehen.
Wann spricht man von Mobbing und Staffing?
Wenn ein Mitarbeiter im Streit mit seinem Chef beispielsweise „Du spinnst, du Idiot!“ brüllt, ist das natürlich daneben – aber noch kein Mobbing.
Von Mobbing spricht man erst, wenn jemand einen anderen systematisch über einen längeren Zeitraum schikaniert, mit dem Plan, ihn zu schädigen, sagt Moritz Scherzer, Referent beim Bündnis gegen Cybermobbing. Das Ziel von Mobbing sei „jemanden fertigzumachen oder aus einem Unternehmen zu drängen“, sagt Psychologe Mucha.
Mobbing und Staffing kann für die Opfer psychische und körperlich Auswirkungen haben – ganz abgesehen davon, dass sich wohl niemand in einem Umfeld wohlfühlt, in dem er ständiger Schikane ausgesetzt ist. Typische Folgen sind Depressionen, Nervosität und Angespanntheit. Wer gemobbt wird, ist laut Scherzer meist über kurz oder lang weniger leistungsfähig und leidet womöglich an Übelkeit, Herz- und Atemproblemen.
Wie äußert sich Staffing?
Arbeitsverweigerung oder fiese Gerüchte verbreiten: Staffing kann viele Gesichter haben. „Meist ist Staffing weniger offensichtlich als Mobbing unter Kollegen oder Bossing, also Mobbing durch Vorgesetzte“, sagt Scherzer. Dass Mitarbeiter ihren Chef immer wieder offen angreifen, komme demnach selten vor. Staffing kann sich beispielsweise darin äußern, dass Mitarbeiter ihrem Chef Informationen vorenthalten oder zu spät mitteilen.
Klaus Mucha hat 15 Jahre lang im betrieblichen Gesundheitsmanagement der Berliner Verwaltung gearbeitet und dort mehrere Fälle von Staffing beobachtet: „In einem Fall haben Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihre Arbeit verzögert, geradezu verweigert. Und so die Ergebnisse ihrer Vorgesetzten sabotiert. Sie hatten immer irgendwelche Ausreden – das war pure Schikane.“
In einem anderen Fall konnte sich eine junge Führungskraft nicht gegen ältere Mitarbeiter durchsetzen. Sie erkannten seine Autorität nicht an und ignorierten seine Anweisungen. Letztlich erledigte er viele Aufgaben selbst, die er eigentlich delegieren wollte.
Doch Staffing kann sich auch abseits der Firma im Internet abspielen: Dort kommt es laut Scherzer immer wieder vor, dass Mitarbeiter in Foren über ihre Chefs lästern oder Videoaufnahmen von ihm verbreiten – mit dem Ziel, andere auf ihre Seite zu ziehen und den Chef fertigzumachen. In sozialen Netzwerken hätten Angestellte sogar Fake-Profile ihres Chefs anlegt und mit entsprechenden Posts versucht, seinen Ruf zu schädigen. Die Crux bei Cybermobbing: Täter können hier weitgehend unerkannt bleiben.
Welche Ursachen hat Staffing?
Warum Mitarbeiter ihren Chef mobben, ist natürlich von Fall zu Fall verschieden. Die Ursachen zu erkennen, kann helfen, gegen die Täter vorzugehen – und manchmal ist Staffing Klaus Mucha zufolge auch ein Zeichen dafür, dass Vorgesetzte in ihrer Funktion als Führungskraft etwas falsch machen.
- Neid: „Wer eine steile Karriere hinlegt, weckt manchmal bei anderen Neid, die leer ausgegangen sind“, sagt Scherzer. Auch wenn junge Führungskräfte neu in ein Unternehmen kommen und plötzlich ein Team von älteren, erfahrenen Kollegen leiten, käme es vor, dass die Älteren den Neuling nicht erstnehmen und entsprechend behandeln.
- Provokatives Verhalten des Chefs: Wer als Führungskraft alle rumkommandiert oder herablassend mit seinen Mitarbeitern spricht, kann auch zur Zielscheibe von Mobbing werden. Nach Muchas Erfahrung gibt es bei Staffing häufig keine reinen Opfer, weil sich Vorgesetzte und Mitarbeiter gegenseitig schikanieren. „Oft fliegen die Fetzen in beide Richtungen“, sagt Mucha.
- Schlechte Führungsarbeit: „Es kann auch sein, dass Mobbing ein Zeichen von schlechter Führung ist“, sagt Mucha. Daher sei es wichtig, sich als Chef zu hinterfragen: Behandle ich meine Mitarbeiter ungerecht? Kontrolliere ich zu viel? In welchem Ton spreche ich mit meinen Mitarbeitern – werde ich manchmal ausfällig?
- Schlechtes Betriebsklima: In Unternehmen, in denen das Betriebsklima schlecht und die Arbeitsfreude gering ist, ist es kein Wunder, wenn Mitarbeiter gegen Vorgesetzte schießen – denn letztlich sind sie für klare Zuständigkeiten und Arbeitsabläufe verantwortlich, sagt Mucha. „Mobbing kann ein Zeichen dafür sein, dass der Chef oder die Chefin die Organisationsstrukturen der Firma verbessern muss.“
- Unklare Zuständigkeiten: „Wenn keiner genau weiß, was er oder sie darf, Konkurrenzen entstehen und man sich wichtiger nimmt als andere, ist das oft eine Quelle von Mobbing“, sagt Mucha.
- Schnelle Veränderungen: Wenn Unternehmer neue Führungskräfte einstellen, die beispielsweise in ihrem Team alte Strukturen über den Haufen werfen, kann auch das laut Moritz Scherzer zu Konflikten führen. Möglicherweise fühlen alt eingesessene Mitarbeiter sich überrumpelt und rebellieren gegen den neuen Chef.
Was sollten Chefs tun, die von ihren Mitarbeitern gemobbt werden?
Ob Unternehmer selbst unter Mobbing leiden oder ihre Team- oder Abteilungsleiter betroffen sind: Sie sollten auf keinen Fall die Augen vor Mobbing verschließen – denn je länger man das Problem ignoriert, desto schlimmer wird es.
Absolutes No-Go: „Chefs sollten niemals mit den gleichen Waffen zurückschießen“, sagt Scherzer vom Bündnis gegen Cybermobbing. „Es wäre zwar nur menschlich, dass einem irgendwann der Kragen platzt und man seinen Mitarbeiter beleidigt oder ihm droht – aber damit schießt man sich nur ins eigene Knie.“ Denn dann hat der Mitarbeiter auch etwas gegen den Chef in der Hand.
Das Gespräch mit den Mobbern suchen
Scherzer rät, unbedingt mit dem Täter zu sprechen: „Sagen Sie ihm: ‚In letzter Zeit ist mir dies und jenes Verhalten aufgefallen. Das hat mir nicht gefallen. Das hat mir sogar wehgetan. Wie sehen Sie das?‘“
Wichtig ist es, dem Täter klarzumachen, dass man sein Verhalten nicht duldet und bei Wiederholung arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen. Mucha: „Als Führungskraft müssen Sie klare Grenzen setzen und bei grenzüberschreitenden Handlungen oder Beleidigungen sagen: ‚Dieses Verhalten wollen wir hier nicht.‘ “
Wiederholtes Mobbing bestrafen
Ändert der Mitarbeiter sein Verhalten nicht, sollten Chefs Taten folgen lassen. Bei wiederholtem Mobbing können Unternehmer den Täter ermahnen oder abmahnen. Mobbt der Mitarbeiter unbeirrt weiter, sollten Arbeitgeber ihn verhaltensbedingt kündigen.
Mucha empfiehlt zudem, ein Ereignis-Tagebuch zu führen: „Darin können gemobbte Vorgesetzte beschreiben, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit was passiert ist.“ Klagt ein mobbender Mitarbeiter gegen seine Kündigung, kann solch ein Tagebuch vor Gericht helfen: „Die Mobbing-Dokumentation in Form eines Tagebuchs gilt vor Gericht zusammen mit dem Nachweis gleichzeitiger Erkrankungen und der eidesstattlichen Versicherung, die Wahrheit zu sagen, quasi als Zeugen-Ersatz“, sagt Mucha.
Schwere Fälle von Mobbing können auch strafbar sein. Gerichte können Tätern wegen Beleidigung , Verleumdung oder übler Nachrede belangen (§ 185 – 187 Strafgesetzbuch) und ein Schmerzensgeld oder Schadensersatz verhängen (§ 823 Abs. 1 BGB).
Mit Vertrauenspersonen sprechen
Chefs sollten nicht nur mit den Tätern über deren Verhalten sprechen, sondern sich auch Familie oder Freunden anvertrauen. Das fällt vielen zwar schwer, sagt Scherzer, ist aber enorm wichtig: Denn wer nur schweigend erträgt und seinen Schmerz in sich hineinfrisst, mache es nur schlimmer. Wer besonders unter Mobbing leidet, sollte zudem Hilfe bei einem Psychologen suchen.
Professionelle Hilfe holen
Mobbing ist ein Zeichen dafür, dass die Regeln der Zusammenarbeit nicht klar sind oder nicht eingehalten werden. Hier kann zum Beispiel ein Workshop mit einem Coach helfen. „Dabei sollte man mit allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gemeinsam über Kommunikation und Zusammenarbeit sprechen – quasi eine Grundschulung für gute Zusammenarbeit“, sagt Mucha. Seiner Erfahrung nach sträuben sich manche Mitarbeiter zunächst gegen solche Maßnahmen – eben weil der Chef sie anordnet. „Meistens tauen Teilnehmende aber nach einer Weile auf und letztlich profitieren alle von solchen Workshops.“
Zur Person
Moritz Scherzer ist Referent beim
Bündnis gegen Cybermobbing.
Der Verein leistet Aufklärungs- und
Präventionsarbeit zum Thema Cybermobbing,
unter anderem an Schulen.
Dr. Klaus Mucha ist Diplom-Psychologe
und Psychotherapeut und arbeitete jahrelang
als Leiter der Anlaufstelle für Konfliktmanagement
in der Berliner Verwaltung. Er beriet dabei
Betroffene von Mobbing auf unterschiedlichen
Hierarchieebenen und schrieb 2012 ein Buch über
Mobbing bei der Polizei.
Link zum Artikel:
https://www.impulse.de/management/personalfuehrung/staffing/7399493.html