Interview mit: C. Schröder – Lehrkraft an einem Gymnasium in Baden-Württemberg
Ist Cybermobbing ein Problem an Ihrer Schule?
Ja, ich denke schon. Meiner Einschätzung nach ist Cybermobbing überall verbreitet. Die Frage ist nur, ob und wann wir davon erfahren. Leider bleiben viele Vorfälle im Verborgenen, aber ich habe durchaus schon mitbekommen, dass Schüler*innen von anderen in Chats oder Videos beschimpft oder verleumdet wurden.
Denken Sie, dass Cybermobbing an Ihrer Schule ein Thema ist?
Ja, auf jeden Fall. Durch unsere Projekte mit dem Bündnis gegen Cybermobbing sind Kolleg*innen, Eltern und Schüler*innen aufmerksamer geworden, was Cybermobbing angeht. Nach dem Projekt haben sich einzelne Schüler*innen oder deren Eltern gemeldet und von Mobbing-Vorfällen berichtet. Das sehe ich als einen Schritt in die richtige Richtung. Nur, wenn man sich mit (Cyber-)Mobbing auseinander setzt und darüber spricht, hat man die Chance, dagegen vorzugehen.
Stellen Sie sich und Ihre Arbeit bitte kurz vor.
Ich unterrichte seit Herbst 2019 an meiner Schule. Gemeinsam mit einem Kollegen habe ich im Laufe meines ersten Schuljahrs die Präventionsarbeit übernommen. Wir haben begonnen, dauerhafte Projekte zu etablieren und eine Art Curriculum für unser Präventionsprogramm zu erstellen. Dabei arbeiten wir eng mit unserem Schulsozialarbeiter zusammen, der einen sehr großen Teil der Projekte durchführt.
Welche Funktion haben Sie in Ihrer Schule?
Abgesehen von meiner Arbeit in der Prävention bin ich Klassenlehrerin in einer siebten Klasse.
Denken Sie, dass Cybermobbing ein sich vermehrendes Phänomen ist?
Ich habe inzwischen die Erfahrung gemacht, dass die Schüler*innen nicht zwischen Medien und direkten Begegnungen trennen. Cybermobbing tritt nicht als einzelnes Phänomen auf, sondern hängt auch mit Streitigkeiten außerhalb des Internets und „klassischem“ Mobbing zusammen. Daher denke ich nicht, dass Cybermobbing an sich sich vermehrt und bisheriges Mobbing ersetzt. Stattdessen lässt sich beides nicht trennen und der Umfang, in dem Cybermobbing auftritt, hängt meiner Meinung nach damit zusammen, wie viel Zeit Kinder und Jugendliche im Internet verbringen. Dass das erschreckend viel ist, lässt sich aber natürlich nicht leugnen.
Wie gehen Sie mit Cybermobbing an Ihrer Schule um?
Zunächst einmal müssen wir überhaupt mitbekommen, dass Cybermobbing aufgetreten ist, was leider nicht selbstverständlich ist. Ich hatte bisher erst von einem Fall erfahren, bei dem ich ein Gespräch mit dem betroffenen Kind und den Eltern geführt hatte, um zu erfahren, was passiert ist, wer daran beteiligt ist und seit wann die Vorfälle stattfinden. In Zusammenarbeit mit unserem Schulsozialarbeiter und meinen Kollegen haben wir Unterstützer für das betroffene Kind gesucht und mit Mitläufer*innen gesprochen. Parallel dazu haben die Eltern ihr Kind verstärkt im Umgang mit dem Smartphone unterstützt. Die Vorfälle sind daraufhin deutlich zurückgegangen.
Fühlen Sie sich durch die Präventionsangebote an Ihrer Schule ausreichend geschult, im Falle eines Cybermobbingvorfalls?
Ja, definitiv. Allerdings hat mir dabei sehr geholfen, dass ich maßgeblich an der Organisation beteiligt war und dadurch auch bei den Elternabend dabei sein konnte, den Frau Müller vom Bündnis gegen Cybermobbing durchgeführt hat.
Denken Sie, dass es mehr Präventionsangebote im Bereich Digitale Welt, Cybermobbing u.ä. geben sollte?
Ich denke, dass es bereits sehr viele Angebote gibt. Viel hilft aber nicht immer viel. Aus meiner Sicht ist es wichtig, aus den vorhandenen Angeboten das auszuwählen, das am besten zur eigenen Schule passt. Da die Zeit an Schulen außerdem ständig knapp ist, finde ich es wichtiger, ein Angebot gründlich durchzuführen, statt möglichst viele Angebote zu nutzen, die dann jedoch keine nachhaltigen Effekte haben, weil sie nicht vertieft werden können.
Denken Sie, dass Sie bzgl. des Themas Präventionsarbeit (allg. Thematiken) ausreichend Programme angeboten bzw. durchgeführt bekommen? (Bezogen auf Angebot z.B. durch den Bund) Ja/Nein Warum?
Über den Verteiler des ZSL bekomme ich einige Angebote zum Thema Prävention zugeschickt, die sehr viele verschiedene Themen enthalten. Darüber hinaus gibt es noch weitere Stellen, die Präventionsangebote für Schulen bieten. Genug gibt es also, sie müssen sich aber auch in den Schulalltag einbinden lassen. Wenn ich interessante Fortbildungen sehe, wäge ich immer ab, ob ich überhaupt die Möglichkeit hätte, hinzugehen. Meist ist die Antwort nein. Denn so wichtig Fortbildungen auch sind – die Zeit, die ich im Unterricht für meine Schüler*innen habe, ist wichtiger.
Sinnvoll fände ich es daher, wenn angehende Lehrkräfte schon im Studium zum Thema Prävention geschult werden könnten oder sogar die Chance hätten, Projekte an Schulen zu unterstützen. Ich persönlich habe durch die Präventionsarbeit sehr viel über Pädagogik gelernt. Während meiner Ausbildung dagegen kam die Pädagogik viel zu kurz.
Sind aus Ihrer Sicht, Lehrer ausreichend geschult, wenn es sich um das Thema Digitale Welt dreht?
Teilweise – hier sehe ich sehr große Unterschiede. Angebote, sich fortzubilden, gibt es viele. Aber die muss man aktiv nutzen oder man muss sich selbst informieren.
Ich merke, wie oft Kolleg*innen, vor allem diejenigen, die auch privat wenig digitale Medien nutzen, mit der Technik an der Schule schwer tun. Im Gegensatz dazu habe ich aber auch sehr engagierte Kolleg*innen, die ein unglaubliches Fachwissen haben und dafür sorgen, dass die Digitalisierung an unserer Schule große Fortschritte macht.